Gründungsveranstaltung

Protokoll der Gründungsveranstaltung des Dachverbandes Deutschsprachiger PsychosenPsychotherapie am 06.05.2011 in Berlin

Am 6.5.2011 fand in den Räumen der Berliner Charite die Gründungsveranstaltung des Dachverbandes Deutschsprachiger PsychosenPsychotherapie statt.

Der Gründung des Dachverbandes waren seit mehr als 2 Jahren laufende Vorbereitungen vorangegangen, die zum Ziel hatten, möglichst viele der an dieser Thematik Interessierten und in diesem Bereich Tätigen in den Aufbau des Dachverbandes miteinzubeziehen.

Die Gründung des Dachverbandes wurde mit einem wissenschaftlichen Vortrag von Professor Stavros Mentzos eingeleitet, der auf dem Hintergrund eines historischen Rückblicks die unterschiedlichen Therapieverfahren mit ihrer divergenten Ansätzen und ihren Gemeinsamkeiten vorstellte und den Versuch einer partiellen Synthese unternahm. Hierbei wies er neben der Wichtigkeit des Verstehens der existentiellen Dilemmata des Psychosekranken auf die Bedeutung der therapeutischen Beziehung hin.

Zuvor war in einer sehr persönlich gehaltenen und mit viel Applaus bedachten Laudatio von Professor Böker aus Zürich die große Bedeutung von Professor Mentzos für die Entwicklung der Psychosenpsychotherapie gewürdigt worden.

Anschließend gab Herr Schwarz aus München -gemeinsam erarbeitet mit Herrn Dümpelmann- einen Überblick über die Entwicklung der Psychosentherapie in Deutschland. Dabei wählten sie als Ausgangspunkt die Etablierung einer regelmäßig stattfindenden Psychopsychotherapie- Weiterbildung in München 1992, die psychoanalytisch geprägt war, aber auch Vertreter anderer therapeutischer Schulen und Nachbardisziplinen zu Wort kommen ließ. Durch die gemeinsam, zunächst in München, dann auch in Berlin durchgeführten Veranstaltungen wurde der Weg zu Kooperation und der Herausbildung einer gemeinsamen Identität beschritten.

Frau Dr. von Haebler, über Jahre Initiatorin der Gründung des Dachverbandes, stellte in ihrem Beitrag als gemeinsames Ziel eine bessere Versorgung von Psychosekranken in den Vordergrund. Die psychotherapeutische Behandlung von an einer Psychose erkrankten Menschen kommt in Deutschland – obwohl in den Behandlungsleitlinien gefordert- nur einer kleinen Zahl von Patienten zu Gute. Sie lud alle Interessierten zur Mitarbeit im DDPP ein. Der Dachverband sei offen für jeden, der in qualifizierter Weise in der Pyschosenpsychotherapie tätig ist, für alle zum Einsatz kommenden Therapieverfahren und über Psychiater und Psychotherapeuten hinaus auch für andere im psychiatrischen Bereich tätige Berufsgruppen.

Frau Dr. von Haebler verlas ein Grußwort des Präsidenten der DPPPN Professor Falkai, in dem dieser die Gründung des Dachverbandes unterstützte und seine Hoffnung ausdrückte, dass dadurch dazu beigetragen werde, die Lücken in der psychotherapeutischen Versorgung von psychosenkranken Menschen zu verringern.

In der anschließenden von Herrn Schultze-Jena geleiteten Gründungsver-sammlung mit über 100 Teilnehmern wurde die von einer Arbeitsgruppe bestehend aus Herrn Dr. Schwarz, Professor Bruns und Herr Dr. Schultze-Jena vorbereitete Satzung ausführlich diskutiert und einzelne Veränderungen vorgenommen.

Bei der Abstimmung wurde die Gründung des Dachverbandes beschlossen und die Satzung ohne Gegenstimmen angenommen.

Bei den Vorstandswahlen wurden gewählt: als 1. Vorsitzende Frau Dr. von Haebler, als stellvertretende Vorsitzende Herr Dr. Lempa und Herr Professor Klingberg und als Beisitzer Herr Dr. Schultze-Jena und Herr Dr. Hümbs. Alle Gewählten nahmen die Wahl an.

In dem in der Satzung vorgesehenen Beirat sollen Vertreter verschiedener therapeutischer Richtungen sowie auch Angehörige und Betroffene vertreten sein. Hier wurden aus dem Vorstand und dem Kreis der Mitglieder Herr Professor Bock, Frau Dr. Hexamer, Herr Professor Hoffmann und Herr Dr. Janta benannt, weitere Beiräte werden vom Vorstand bestimmt und auf der website bekanntgegeben.

Die inhaltliche Arbeit des DDPP wird in den 3 schon bestehenden Arbeitsgruppen fortgeführt:

  • Forschung (Ansprechpartner Prof. Hartwich und Prof. Klingberg)
  • Fort- und Weiterbildung (Ansprechpartner Frau Willms und Herr Terness)
  • Versorgung und Vernetzung (Ansprechpartner Herr Dr. Lempa und Herr Dr. Janta)

Nach der Unterzeichnung des Gründungsprotokolls fand in den Vorräumen des Hörsaals eine kleine Feier mit Sekt und Büffet statt.

Die Dachverbandgründung wurde abgerundet durch einen öffentlichen Vortrag, der am Folgetag im erneut gut gefüllten großen Hörsaal der Charité stattfand. Darin brachte Professor Bock aus Hamburg die Bedeutung eines anthropologisch- verstehenden Ansatzes in der Begegnung mit dem Psychosekranken zum Ausdruck. Er forderte Respekt für die subjektive Perspektive des Betroffenen und Berücksichtigung seiner sozialen und familiären Situation und seiner Lebensgeschichte. Wichtig sei eine individuell gestaltete verlässliche therapeutische Beziehung, aus der heraus Hoffnung und Unterstützung vermittelt werden könne. Frau Gwen Schulz, Psychose-Erfahrene aus Hamburg beendete ihren bewegenden Bericht über ihre Krankheit und ihr Leben mit den Wunsch: „ Ich will in meinem So-Sein angenommen, in meinem Geworden- sein verstanden und in meiner Lebensperspektive ermutigt werden

Der zweite Tag des Gründungskongresses wurde eröffnet von einem Vortrag von Professor Heinz aus Berlin zum Thema: Wahn- neurobiologische Grundlagen und ihre Bedeutung für die Psychotherapie“. Dabei gelang es Professor Heinz durch seine lebendige und anschauliche Darstellung, auch bei den mehr psycho-therapeutisch tätigen Zuhörern das Interesse für die komplexen biologischen und biochemischen Grundlagen der Affekte und Triebe zu wecken.

Im folgenden Beitrag beschäftigte sich Professor Küchenhoff aus Basel mit „Der Zerstörung des Sinns und der Grenzen der Verstehensmacht: Zur psycho-dynamischen Therapie psychotischer Leiden“. Darin lieferte er verschiedene Ansätze zum Verstehen psychotischer Symptome und Verhaltensweisen. Gleichzeitig forderte er auch die Anerkennung der Grenzen des Verstehbaren, das mit therapeutischer Zurückhaltung zu respektieren sei. Als eindrucksvolles Beispiel aus der Literatur führte er „Bartleby, der Schreiber“ von Herman Melville an.

Die Vormittagssitzung wurde abgeschlossen durch einen Vortrag des Tübinger Verhaltenstherapeuten Professor Klingberg, der einen kompetenten Überblick über die Bedeutung und den bisher erfolgten Einsatz von psychotherapeu-tischen Verfahren in der Psychosentherapie gab. Er rief zu einer generellen Umsetzung der in den S3-Leitlinien Schizophrenie geforderten Einbeziehung von Psychotherapie in der Psychosentherapie auf. Daneben hob er die Notwendigkeit weiterer wissenschaftlicher Forschung auf diesem Gebiet hervor, um die verschiedenen Therapieverfahren noch gezielter und erfolgreicher einsetzen zu können.

Den Nachmittag des zweiten und die erste Hälfte des Vormittages des dritten Kongresstages nahmen wie immer die „Herzstücke“ der Tagung, die kasuistisch-technischen Seminare mit ihrer konzentrierten Fallarbeit in kleinen Gruppen von 6- 10 Teilnehmern ein. Hier hatten Teilnehmer die Möglichkeit, eigene Fälle vorzustellen und in der Gruppe mit jeweils zwei teilnehmenden Dozenten zu diskutieren.

Den Abschluss des Kongresses bildete eine Fallvorstellung des Schweizer Psychoanalytikers Dr. Josi Rom. Darin stellte er die über mehrere Jahre gehende psychotherapeutische Behandlung eines chronisch psychotisch Kranken vor. Dabei vermittelte sich durch den Vortrag die von großem Respekt, Geduld und Beständigkeit geprägte Haltung des Therapeuten, der seinem Patienten über viele Krisen verlässlich zur Seite stand – auch wenn er manchmal an die Grenzen des ihm Verstehbaren geriet. Der Vortrag wurde vom Publikum mit gespannten Interesse und spürbarer emotionaler Teilnahme aufgenommen.

Fr. Dr. von Haebler dankte dem Referenten und den Kollegen, die sich zu spontanen, nicht vorbereiteten Kommentaren zum Vortrag bereit erklärt hatten.

Sie beendete die Tagung und lud die Teilnehmer zum nächsten Berliner Überregionalen Symposium für Psychosenpsychotherapie zum 29-30.10.2011 wieder in die Charité ein

3.7.11 Hümbs