Curriculare Fortbildung Psychosen-Psychotherapie

Das Curriculum vermittelt ärztlichen und psychologischen PsychotherapeutInnen relevante Inhalte zur Psychosen-Psychotherapie. Es beinhaltet insgesamt 64 Unterrichtsstunden Theorie, 80 Stunden supervidierte psychosen-psychotherapeutische Behandlung mit mindestens zwei verschiedenen Patienten sowie 20 Stunden Supervision.

Das Curriculum wird im Folgenden für die beiden Richtlinien-Verfahren kognitive Verhaltenstherapie und psychodynamische Psychotherapie dargestellt. Das Curriculum ist aber auch für andere Therapieverfahren wie systemische Therapie und Gesprächstherapie anwendbar. Diese würden nach dem allgemeinen Teil mit 16 Theoriestunden dann analog zu den Richtlinienverfahren in weiteren 48 Stunden ihr Verfahren vertieft und spezialisiert vermitteln.

Bei dem Curriculum handelt es sich um ein Angebot der Nach- oder Zusatzqualifikation für alle tätigen PsychotherapeutInnen. Das Curriculum kann im Bausteinprinzip mit Veranstaltungen verschiedener Anbieter erworben werden. Für PsychotherapeutInnen, die in einem der beiden Richtlinienverfahren arbeiten, sind der allgemeine Teil und 48 UE in ihrem spezifischen Verfahren vorgesehen. Für PsychotherapeutInnen, die nicht in einem Richtlinienverfahren arbeiten, sind 48 UE in einem frei wählbaren Verfahren möglich (z.B. systemische Psychotherapie).

Der DDPP wird zunächst dafür sorgen, dass die richtlinienverfahrensspezifischen curricularen Fortbildungen möglichst flächendeckend und vollständig absolviert werden können. Die Bausteine anderer Psychotherapieverfahren werden unterstützt. An Angeboten zur Theorievermittlung allgemeiner Inhalte können selbstverständlich auch andere Berufsgruppen teilnehmen, die verfahrensspezifischen UE sollten den PsychotherapeutInnen im engeren Sinne vorbehalten sein.

Rahmenbedingungen und Umfang


64 Stunden Theorie-Vermittlung (Unterrichtseinheiten à 45 min)

Dokumentation von mindestens zwei Behandlungsfällen mit insgesamt 80 Sitzungen

20 Supervisionsstunden, entweder in Einzelsupervision oder in Gruppen-Supervisionen bzw. Fallseminaren mit eigener Fallvorstellung (jede 4 Sitzung supervidiert)

Theorievermittlung


Es müssen insgesamt 64 Stunden Theorie (Unterrichtseinheiten à 45 min) nachgewiesen werden. Diese können im Bausteinprinzip erworben und individuell zusammengestellt werden.

Davon entfallen 16 Unterrichtseinheiten verfahrensübergreifend auf allgemeine Inhalte der Psychosen-Psychotherapie. Davon sind einige Inhalte obligatorisch (O), andere fakultativ (F).

48 Einheiten müssen verfahrensorientiert entweder in der kognitiven Verhaltenstherapie oder der psychodynamischen Psychotherapie nachgewiesen werden. Für systemische und Gesprächspsychotherapie sind ebenfalls Angebote vorhanden.

Allgemeiner Teil Curriculum Psychosenpsychotherapie - (Module I bis VI)


I Besonderheiten der Diagnostik und des Krankheitsverlaufes
1. Diagnostik und Differentialdiagnosen
2. Komorbidität (affektive Störungen, Sucht, organische Erkrankungen, Erkrankungen aus dem Autismus-Spektrum)
3. Neurobiologische Forschungsergebnisse zur Psychotherapie
4. Besonderheiten des Frühverlaufes, Prädiktoren des Langzeitverlaufes
5. Leitlinienempfehlungen zur Psychopharmakotherapie, häufige unerwünschte Wirkungen, psychologische Faktoren der Psychopharmakotherapie = 2 UE

II psychotherapierelevante Krankheitskonzepte
1. Kognitiv-behaviorale Konzepte
2. Psychodynamische Konzepte, Familientherapeutische Gespräche
3. Systemische Konzepte/ open dialog
4. Behandlungs- und Krankheitskonzepte aus Sicht der Patienten
5. Recovery, empowerment = 4 UE

III (für VT) therapeutischen Beziehung und Behandlungstechnik in der psychodynamischen Therapie Aufbau eines Arbeitsbündnisses durch:
1. Spezifische therapeutische Haltung –
2. Umgang mit der Identitätsproblematik -
3. Arbeit mit der Gegenübertragung
4. Dialogisches Vorgehen, Fokussierung auf interpersonale Begegnung

„Arbeit an der Repräsentation“: Symbolisierung und Mentalisierung

Abmilderung der intrapsychischen und interpersonalen Dilemmata durch:
1. Vermeiden der Reaktualisierung dysfunktionaler Beziehungsmuster
2. Modell-Erfahrungen innerhalb der therapeutischen Beziehung
3. Konfrontation, Klärung, Deutung. Rekonstruktion der Biographie = 4 UE

III (für Psychodynamiker) Therapeutischen Beziehung und Strategien i. d. kognitiven Verhaltenstherapie Therapeutische Beziehung
1. Orientierung am Selbstmanagementansatz –
2. Konstruktive Beziehungsgestaltung –
3. Psychotherapeutischer Motivationsaufbau
4. Zielhierachie (z. B. Vermeidung von Selbst- und Fremdgefährdung, Förderung der Behandlungskooperation, Grundsicherung, individuelle Ziele)

Strategien
1. Problemanalyse
2. Psychotherapeutische Bearbeitung des Krankheits- und Behandlungskonzeptes
3. Recovery-Orientierung und Rückfallprävention
4. Symptom- und funktionsorientierte Behandlungsstrategien = 4 UE

IV Besondere Behandlungssituationen (Einführung)
1. Früherkennung
2. Umgang mit fehlendem Störungsbewusstsein, Umgang mit Anklammerung und Distanzierung, Umgang mit Krisen
3. Beendigung der Behandlung / Überleitung in eine andere Behandlungsform

V Vernetzung
1. Struktur und Einrichtung der psychosozialen Versorgung
2. Beteiligte Professionen und Formen der Zusammenarbeit
3. Mögliche Formen des Einbezugs von Angehörigen, peers, SGB XII, rechtlichen Betreuern
4. Umgang mit gegenseitiger Information - Schweigepflicht = 3 UE

VI Weitere Behandlungsformen - spezifische Indikationen
1. psychiatrische Behandlung
2. Psychoedukation
3. Soziotherapie
4. Einzelfallhilfe
5. Kunst-/Tanz-/Musiktherapie
6. Körpertherapien = 3 UE

Gesamt = 16 UE

Verfahrensspezifische Inhalte: Kognitive Verhaltenstherapie (48 UE)


Block 1: Früherkennung und Frühbehandlung

1. Diagnostik von Risikosyndrom und Prodromalphase sowie Diagnostische Probleme bei der Ersterkrankung

     1.1 Kenntnis von diagnostischen Kriterien

     1.2 Kompetenz in der Interviewführung

2. Phasengerechte Beziehungsgestaltung

     2.1 Reflektion der motivationalen Ausgangssituation

     2.2 Kompetenz bei Aufbau hilfreicher Beziehung

3. Behandlungsmotivation fördern

     3.1 Umgang mit fehlendem Störungsbewußtsein

     3.2 Kompetenzen zur Motivationsförderung

4. Bearbeitung des Krankheitskonzepts

5. Kompetenzen zur Problem- und symptomorientierte Behandlung beim Risikosyndrom Problemanalysen sowie kognitive und behaviorale Strategien bei:

     5.1 Basissymptome

     5.2 Attenuierte psychotische Symptome

     5.3 Kurzzeitige psychotische Symptome

     5.4 Leistungsschwierigkeiten

     5.5 Ängste

     5.6 Zwänge

     5.7 Substanzkonsum

6. Kompetenzen zur Problem- und symptomorientierte Behandlung der ersten Episode Problemanalysen sowie kognitive und behaviorale Strategien bei:

     6.1 Positivsymptome

     6.2 Negativsymptome

     6.3 Leistungsreduktion

     6.4 Psychosoziale Funktionsbeeinträchtigungen

7. Komorbiditäten (Substanzmissbrauch, insbesondere Cannabiskonsum, Amphetamine, sowie Depressive Störungen und soziale Phobien)

 

Block 2: Recoveryorientierung und Rückfallprävention

1. Modelle der Rückfallauslösung und Recovery-Orientierung

2. Erarbeitung von auslösenden Bedingungen für Rückfälle:

     2.1 Krankheitskonzept in Bezug auf Vulnerabiltät und Rückfallgefährdung

     2.2 Behandlungskonzept vermitteln und reflektieren

     2.3 Langfristiger Umgang mit der Pharmakotherapie

     2.4 Familiäre Einflussfaktoren

3. Gestaltung der therapeutischen Beziehung und Motivationsförderung bei Rückfallgefährdung

4. Strategien der Krisenbewältigung: Frühsymptommanagement

5. Strategien der Stressbewältigung: strukturierte Problembearbeitung und Problembewältigungskompetenz

6. Ressourcen- und Gesundheitsorientierung

7. Systematische Einbeziehung der Angehörigen: Angehörigengruppen und Familienbetreuung

8. bei 4-7: Erwerb von Kompetenzen zur Problemanalyse, zur Kognitiven Umstrukturierung, Realitätsprüfung, Training sozialer Fertigkeiten

 

Block 3: Symptom- und Funktionsorientierte Behandlungsstrategien

1. Positivsymptomatik

     1.1 Beziehungsgestaltung und Motivationsförderung: nicht-konfrontativer Beziehungsstil

     1.2 Therapeutisches Bündnis bei „fehlender Krankheitseinsicht“

     1.3 Erarbeitung eines Behandlungskonzepts

     1.4 Anwendung spezifischer Techniken (kognitive Umstrukturierung bei kognitiven Verzerrungen und Realitätsprüfung)

     1.5 Bearbeitung grundlegender kognitiver Schemata

2. Negativsymptomatik

     2.1.Beziehungsgestaltung bei Affektverflachung und Initiativemangel

     2.2.Therapievereinbarungen

     2.3 Anwendung spezifischer Techniken, insbes. zur Reduktion generalisierter negativer Erwartungen

3. Soziale Funktionseinschränkung

     3.1 Analyse relevanter Funktionsbereiche

     3.2 Motivationsaufbau

     3.3 Training identifizierter sozialer Kompetenzen

4. Kognitive Leistungsminderung: Problemanalyse von Ressourcen und Defiziten, Bewältigung von Funktionsminderungen, Verweis auf kognitive Remediation

Verfahrensspezifische Inhalte: Psychodynamische Psychosen-Psychotherapie (48 UE)


Module 1 bis 10

1. Für die psychodynamische Therapie relevante Ergebnisse der Säuglingsforschung, Bindungstheorie, Psychotraumatologie, Mentalisierungstheorie
= 4 UE

2. Konzepte der analytischen Psychosentheorie
Freud, Federn, Winnicott, Klein, Bion, Lacan, Benedetti, Mentzos, Fonagy
= 4 UE

3. Psychosespezifische Entwicklungskonzepte
Ichentwicklung: Integration, Entstehen von Symbolisierung und subjektiver Zeit "Einzug der Psyche in den Körper", Aufbau einer abgegrenzten und gleichzeitig verbundenen Innen- und Außenwelt, Aufbau eines psychischen Innenraums, Objektverwendung, Aufnahme von Objektbeziehungen, Mentalisierung, Entwicklung von: Selbstwertregulation, Ich-Ideal und Über-Ich
= 4 UE

4. Abwehrmechanismen
Introjektion, Identifikation, Projektion, projektive Identifizierung, Externalisierung, Wendung gegen das Selbst, Verdrängung, Verleugnung, Verwerfung

5. Psychodynamik der psychotischen Symptombildung
Schizophrenie, schizoaffekt. Psychose, Manie, Depression (bipol. Störung)
=4 UE

6. Spezifische Elemente der therapeutischen Beziehung
Psychotherapeutische Haltung, Einbezug des aktuellen Zustands des Patienten bei der Herstellung oder Festigung von Problembewusstsein, dialogisches Erarbeiten eines Behandlungsziels, Fokussierung auf Ängste vor interpersonalem Austausch Behandlungsrahmen: Setting, Abstinenz, Schweigepflicht, Erreichbarkeit, Krisenplan Psychodynamische Aspekte der Medikation, Umgang mit Angehörigen, Mitbehandlern
= 4 UE

7. Psychodynamische Behandlungstechnik bei Psychosen
Werkzeuge des psychodynamischen Psychose-Therapeuten: Deutung und Interpretation, Klärung, Konfrontation und Benennung, Verwendung von Metaphern, Ermöglichung von Symbolisierungsprozessen, stellvertretende Äußerung von Affekten, Handlungsdialog, „moving along“, mentalisierungs-fördernde Fragen, Modellerfahrung in Echtzeit. Indikation zur Anwendung der therapeutischen Instrumente in Abhängigkeit von der Organisation des Ich
= 6 UE

8. Praxis der psychodynamischen Behandlungstechnik bei Psychosen
Anwendungsbereiche der psychodynamischen Psychosenpsychotherapie: ambulant, stationär, Einzelsetting, Gruppensetting, familientherapeutisch, Dualer Raum: Aufbau einer Arbeitsbeziehung durch sensible Abstimmung auf die Identitäts-/Selbstwertproblematik Handhabung von Übertragung und Gegenübertragung, Gegenübertragungsfallen; Vermeiden einer dauerhaften Etablierung pathologischer Beziehungskonstellationen (Reaktualisierung des Dilemmas, Enactment), die jedoch innerhalb der therapeutischen Beziehung erlebt und reflektiert werden müssen. Therapeutisches Vorgehen zur Reorganisation des Ich bei Anzeichen für: Störung des Zeiterlebens, gesteigertem Bedeutungserleben, Dissoziation zwischen Erleben u Sprache. Erstmalige Realisierung von "nicht Erlebtem" in der Innen- und Außenwelt als spezifisches Vorgehen in der Psychosentherapie im Unterschied zur Bewusstmachung verdrängter Inhalte
= 8 UE

Einsichtsorientierte Bearbeitung pathologischer intrapsychischer und interpersonaler Dilemmata/Beziehungsmuster/Inhalte in der Vorgeschichte und im Hier und Jetzt der therapeutischen Beziehung Rekonstruktion der Biographie Beendigung der Behandlung
= 6 UE

9. Spezielles:
Umgang mit Wahn und Halluzination, Umgang mit Träumen, Umgang mit Problemen in der psychodynamischen Therapie von Psychosen: Anklammerung, Rückzug, Suizidalität, Feindseligkeit, Aggression, drohender Rückfall, Stagnation, Behandlungsabbruch

10. Antragsstellung –insbesondere Formulierung der Psychodynamik
= 8 UE

Gesamt: 48 UE

Dokumentierte Behandlungsfälle und Supervision

 

Es müssen 80 psychosenpsychotherapeutische Sitzungen mit mindestens zwei Patient*innen sowie 20 Supervisionssitzungen (Einzel- oder Gruppensupervision/jede 4. Sitzung bzw. Fallseminar mit eigener Fallvorstellung) vorgelegt werden.

Supervisor*innen müssen in PsychosenPsychotherapie erfahren sein und Feldkompetenz besitzen:

Für kognitiv-verhaltenstherapeutischen Supervisor*innen wird spezifische Praxiserfahrung vorausgesetzt und die Anerkennung als Supervisor*in an einem Institut ist wünschenswert.

Für psychodynamische Supervisor*innen wird mehrjährige psychodynamische Arbeit mit Psychose-Patient*innen gefordert und die Teilnahme an Fallseminaren in Berlin oder München ist wünschenswert.

Die Fallvorstellung kann auch in Fallseminaren erfolgen (wie sie beispielsweise beim Berliner Überregionalen Symposium, den DDPP Kongressen oder der Münchner Überregionalen Weiterbildung in PsychosenPsychotherapie angeboten werden). Für eine eigene Fallvorstellung im Fallseminar wird eine Supervisionssitzung bescheinigt. Für die Teilnahme an drei Fallseminaren ohne eigene Fallvorstellung wird eine Supervisionssitzung bescheinigt. Insgesamt muss in mindestens 15 Sitzungen im Rahmen der 20 Supervisionssitzungen ein Behandlungsfall vorgestellt werden.

Die geforderte Supervision kann auch im Rahmen von Qualitätszirkeln und Intervisionsgruppen erfolgen. Mindestens einer der Teilnehmer*innen muss die erforderliche Supervisions-Kompetenz im Bereich der PsychosenPsychotherapie besitzen.

Bitte für Supervisor*inne, die noch nicht auf der Liste der vom DDPP anerkannten Supervisor*innen stehen, zunächst bei den Fortbildungsleitenden anfragen!