Psychotherapie-Richtlinie nicht mehr zeitgemäß

In der aktuellen Fassung des §22, Abs. 1 werden psychotische Störungen nicht als Indikation für Psychotherapie eingeschlossen. §22, Abs.2, Nr. 4 lässt eine Psychotherapie-Indikation lediglich zu, wenn eine „Psychische Begleit-, Folge- oder Residualsymptomatik psychotischer Erkrankungen“ vorliegt. Diese Festlegungen entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand der Forschung und den publizierten evidenzbasierten Behandlungsleitlinien.

Begründung

Evidenzbasierte Behandlungsleitlinien empfehlen Psychotherapie mit dem höchsten Empfehlungsgrad. Dies gilt insbesondere für die britische NICE-Guideline „Schizophrenia“ (aktualisiert in 2009), die international als die methodologisch hochwertigste Leitlinie anerkannt wird. Hier werden die Kognitive Verhaltenstherapie sowie die Familienintervention uneingeschränkt für die Routineversorgung empfohlen. Ähnliche Empfehlungen finden sich auch in der S3-Leitlinie „Schizophrenie“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), die aktuell zu Überarbeitung ansteht, sowie auch in der Leitlinie der Amerikanischen Psychiatrischen Fachgesellschaft, um nur die wichtigsten Leitlinien zu benennen.

Diese Leitlinienempfehlungen basieren auf systematischen Reviews, differenzierten Evidenzbewertungen sowie einem strukturierten Konsensprozess in den Leitlinienentwicklungsgruppen. Die Ergebnisse der systematischen Evidenzrecherche sind transparent u.a. im Volltext der NICE-Guideline dargelegt und decken sich in wesentlichen Aussagen mit anderweitig publizierten Meta-Analysen. Es besteht somit eine erhebliche Diskrepanz zwischen hochwertigen Behandlungsleitlinien und der Psychotherapie-Richtlinie. Die NICE-Guideline enthält darüber hinaus auch eine gesundheitsökonomische Bewertung der beiden empfohlenen Behandlungsstrategien mit dem Ergebnis, dass durch die Anwendung dieser Strategien insgesamt keine Kostensteigerung anzunehmen ist.

Wie die Titel der Behandlungsleitlinien bereits implizieren, gelten diese Empfehlungen für die „Schizophrenie“ sowie die damit assoziierten Störungen. Es geht hier um die Behandlung der Kernsymptomatik psychotischer Erkrankungen wie die Positiv-Symptomatik (insbesondere Wahn und Halluzination) sowie die Negativsymptomatik (u.a. Initiativemangel, sozialer Rückzug, emotionaler Rückzug). Es daher festzustellen, dass die derzeit gültige Begrenzung auf die „Begleit-, Folge- oder Residualsymptomatik“ gerade nicht evidenzbasiert ist und damit den Ansprüchen, die im Rahmen der evidenzbasierten Medizin an Psychotherapie-Richtlinien zu stellen sind, nicht gerecht wird.

Wir setzen uns dafür ein,  in § 22 Abs. 1 als Nr. 10 (neu) „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“ zu ergänzen und zugleich die Nr. 4 in § 22 Abs. 2 ersatzlos zu streichen. Diese Änderung könnte ein Schritt in die Richtung sein, die Versorgung dieser schwer psychisch kranken Menschen deutlich zu verbessern.

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